Stellungnahme der DGIIN zum Gesetz der Notfallreform
Die Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensiv und Notfallmedizin (DGIIN) begrüßt ausdrücklich die angestrebte Reform der Notfallversorgung und des Rettungsdienstes im Rahmen der zukünftigen Herausforderungen des Gesundheitssystems. Über die vorliegenden Vorschläge hinaus empfiehlt die DGIIN deutlich weitergehende Reformen in der stationären und ambulanten Notfallversorgung, im Rettungsdienst und der Pflege.
Stationären Notfallversorgung
1. Budgetierung und Fachabteilungsschlüssel:
Die Notaufnahmen benötigen ein spezielles Vorhalte-Budget. Idealerweise wird dieses Budget entsprechend der Notfallstufe mit der Gesamtvorhaltung vom InEK berechnet. Damit entfällt auch eine Fallzuweisung auf die Leistungsgruppe Notfallmedizin. Zukünftig sollte jede Behandlung in der Notaufnahme mit einem eigenen Fachabteilungsschlüssel für die Notfallmedizin codiert werden, um den Aufwand prospektiv eindeutig kalkulieren zu können. In die Kalkulation sollten die Strukturvorgaben der Fachgesellschaften einfließen, die im G-BA geeint werden sollten.
Darüber hinaus ist eine hohe internistische Kompetenz erforderlich, da a) der Anteil internistischer Patienten über 50 % liegt und internistische Komorbidität bei nicht-internistischen Patienten vorliegen; b) Behandlungen frühzeitig in der Notaufnahme begonnen werden sollten und eine hohe Kompetenz im Fachgebiet der Inneren Medizin benötigen.
2. Einheitliche Ersteinschätzung:
Alle Notaufnahmen (mit oder ohne Integriertes Notfallzentrum (INZ)) sollten eine einheitliche Ersteinschätzung für gehfähige Notfallpatienten durchführen, um das Patientenmanagement zu verbessern. Diese sollte hinsichtlich der Validierung und der Möglichkeit des interinstitutionellen Datenaustausches den im Referentenentwurf genannten Kriterien entsprechen und digital erfolgen. Das Instrument sollte KI-gestützt sein und vom G-BA validiert werden.
3. Rettungsdienstpatienten:
Die Finanzierung für die Versorgung von Patienten, die über den Rettungsdienst in die Notaufnahme kommen, sollte– analog zur Finanzierung von Patienten, die von niedergelassenen Ärzten eingewiesen werden, also als vorstationäre Fälle, gesondert geregelt werden. Um die Diagnostik und Therapie dieser vergleichsweisen komplexeren Patienten adäquater zu gestalten und medizinisch nicht notwendige Aufnahmen aus Finanzierungsgründen zu vermeiden. Unabhängig von der Notwendigkeit einer sachgerechteren Finanzierung der stationären Notfallversorgung (Vorhaltebudget) und der Notfallpatienten des Rettungsdienstes in den Notaufnahmen (prästationäre Behandlung) ist zusätzlich eine Überarbeitung der EBM-Vergütung für die verbleibenden ambulanten Notfallbehandlungen in den Notaufnahmen, die über den Rettungsdienst die Notaufnahme erreichen, erforderlich, um eine kostendeckende Vergütung der ambulanten Behandlungen für die Notfallkliniken sicherzustellen. Auch diese Patienten nehmen die Vorhaltung in einem Umfang in Anspruch, der die Vorhaltekosten für die stationäre Notfallversorgung derzeit übersteigt
4. Krankenhäuser müssen verbindliche Konzepte zur Abhandlung von Überfüllung der Notaufnahme oder des Notfallzentrums (sogenannten ED-Crowdingsituationen) vorlegen.
Ambulante Notfallversorgung
1. Verbindlicher Sicherstellungsauftrag: Der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) für die ambulante Notfallversorgung sollte gesetzlich deutlich verbindlicher geregelt werden. Alternativ sollte die KV auch auf den Sicherstellungsauftrag verzichten und das Budget auf ein Krankenhaus übertragen können.
2. Es braucht rund um die Uhr telemedizinische Beratungsärzte unter der 116117 und einen multiprofessionellen Hausbesuchsdienst: Es sollten – soweit nach Ersteinschätzung erforderlich – 24/7-telemedizinische Beratungsärzte über die Nummer 116117 zur Verfügung stehen sowie ein Hausbesuchsdienst, der auch durch Gemeindesanitäter sinnvoll sichergestellt werden kann. Diese Dienste müssen auch eRezepte und Krankenfahrten verordnen können.
3. KV-Präsenz im INZ und verbindliche Qualitätsstandards:
Die KV sollte täglich und an Wochenende von 8:00 bis 24:00 Uhr im INZ präsent sein, gegebenenfalls je nach Aufkommen bis 22:00 Uhr. Alternativ könnten die INZ als Institutsambulanzen grundsätzlich auch zur allgemeinmedizinischen Notfallversorgung ermächtigt werden. Darüber hinaus sollte der G-BA Festlegungen zur personellen und technischen Ausstattung der Notdienst- und Kooperationspraxen treffen und klar definieren, in welchem Umfang und nach welchem Facharztstandard eine fachgerechte Versorgung dort im Notdienst sicherzustellen ist. Es müssen verbindliche Qualitätsstandards und Qualifikationen eingeführt werden.
Diese sollten von den notfallmedizinischen Fachgesellschaften unter besonderer Beteiligung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin erarbeitet werden und im G-BA abgestimmt werden.
4. Vergütung von Behandlungsfällen in Notaufnahmen bei Weiterleitung von der Ersteinschätzungsstelle, der KV Notdienstpraxis oder den Ko-operationspraxen.
Soweit Notaufnahmen Patienten ambulant behandeln, die von der Ersteinschätzungsstelle, der KV Notdienstpraxis oder den Ko-operationspraxen überwiesen wurden, sollte auch hier eine Abkehr von der EBM-Vergütung stattfinden. Analog zu den oben beschriebenen Patienten, die durch den Rettungsdienst zugewiesenen werden, bedarf es hier einer kostendeckenden Vergütung, die die Vorhaltekosten für die Vielzahl, der der hier eingesetzten Fachdisziplinen abdeckt, da deren Inanspruchnahme die Kosten der stationären Vorhaltung überschreitet.
Für den Rettungsdienst:
1. Regelung im SGB V: Der Rettungsdienst ist im Sozialgesetzbuch V (SGB V) differenzierter zu regeln. Neben dem Notfalltransport in ein Krankenhaus sollte auch das Notfallmanagement durch die Leitstelle und die fachgerechte, gegebenenfalls auch fallabschließende Versorgung am Notfallort (einschließlich der speziellen ambulanten Notfallversorgung wie Notfallpflege-Teams, Palliativteams und notfallpsychatrischen Teams) ohne Transport in ein Krankenhaus im SGB V für den Rettungsdienst geregelt werden.
2. Qualitätsvorgaben und Finanzierung: Es müssen einheitliche Qualitätsvorgaben gelten, und bessere Qualität muss besser finanziert werden. Ziel muss es sein, die Menschen direkt in besserer Qualität zu versorgen, dass Folgebehandlungen und damit viel höhere Folgekosten direkt vermieden werden können.
3. Daten zur Qualitätssicherung: Rettungsdienstdaten sollten für das Qualitätsmanagement und zur effizienteren Versorgung analog zum §21-Datensatz der Kliniken systematisch, gesetzlich verpflichtend bereitgestellt werden.
Pflege
Sowohl in der Rettung als auch in der innerklinischen Behandlungspflege müssen die Berufsgruppen mehr eigenständige Kompetenz bekommen, insbesondere auch Gemeindenotfallsanitäter. Dies gelingt nur durch die Aufnahme und Regelung der Pflege im SGB-V. Die DGIIN hält dies für alternativlos.
Wir würden uns freuen, wenn unsere Vorschläge zur Verbesserung berücksichtigt und in die Gesetzgebung mit einfließen werden. Für Rückfragen stehe wir Ihnen jederzeit zur Verfügung.
Prof. Dr. med. Matthias Kochanek
Präsident Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) im Namen des Vorstandes
Prof. Dr. med. Christian Karagiannidis
Past Präsident Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) im Namen des Vorstandes